Die Kunst der Selbstleitung, verfasst für Physioaustria

Feldenkrais® /  Bewusstheit durch Bewegung – Die Kunst der Selbstleitung

Die Feldenkrais-Methode befasst sich mit Zusammenhängen und Wechselwirkungen von Verhalten und Bewegung. Sie geht davon aus, dass es selbst für ein einzelnes, einfaches Gelenk mehrere Möglichkeiten gibt, dieses zu betätigen, zu bewegen. Für ein komplexes System – wie etwa einen Arm – sind die möglichen Variationen, um eine bestimmte Bewegung auszuführen, nahezu unendlich – jedenfalls theoretisch.

Nun neigen die meisten Menschen dazu, von der Angebotspalette nur ein kleines Spektrum zu nutzen. So erkennen Sie einen guten Bekannten – auch ohne sein Gesicht zu sehen – an seiner individuellen Art, sich zu bewegen. Doch diese Individualität hat auch Nachteile: Sie schränkt ein und verursacht durch einseitiges Be- und Abnutzen von Strukturen möglicherweise sogar Beschwerden.

In Feldenkrais-Lektionen lernen Sie durch meist langsame Bewegungen Ihr Repertoire so zu erforschen, dass es wieder zur Verfügung steht. Gleichzeitig  entwickeln Sie damit eine sensiblere Selbstwahrnehmung. Ihre Bewegungen werden bewusster und diese Bewusstheit gilt als Voraussetzung für Veränderung. Der Körper und speziell das Nervensystem erhält dadurch die Information: So geht es auch, vielleicht sogar besser und ökonomischer. Wenn nicht, versuchen wir eine dritte, vierte oder x-te Möglichkeit.

Feldenkrais-LehrerInnen verstehen ihre Arbeit daher auch nicht als Therapie, sondern als Pädagogik. Die Methode wurde von dem Physiker und Judomeister Dr. Moshe Feldenkrais entwickelt. Sie verhilft Künstlern zu reicheren Ausdrucksmöglichkeiten, Sportlern zu gesteigerter Leistung ohne zusätzliches Kafttraining, Tänzern zu mehr Eleganz und Schmerzgeplagte entdecken neue, mühelosere Bewegungen des eigenen Körpers.

Als praktisches Beispiel möchte ich Ihnen folgendes Experiment vorschlagen:
Bitte greifen Sie nach einer Tasse und führen Sie diese zum Mund, um daraus zu trinken oder tun Sie so als ob.
Beobachten Sie, wie Sie das machen: Wie verlagern Sie das Gewicht um sich vorzuneigen? Wie weit ist Ihr Ellbogen vom Körper entfernt? Wie weit heben Sie den Arm? Wie weit ist die Tasse vom Gesicht entfernt? Wie schätzen Sie die Geschwindigkeit Ihrer Bewegung ein? Was sagt Ihnen, ausgerechnet diesen Arm zu verwenden und nicht den anderen?
Bitte probieren Sie, mit Ihrem anderen Arm nach der Tasse zu greifen und beobachten Sie sich dabei. Wie empfinden Sie das? Ist es schwierig, ungeschickt, eigenartig, fremd?
Letztendlich entscheiden die feinen Unterschiede, welchen Arm Sie immer und immer wieder verwenden werden.

Sie werden bemerken, dass es alle ähnlich bewerkstelligen, jedoch jeder für sich ein wenig anders. Es ist ähnlich, weil es zu den menschlichen Grundbedürfnissen gehört, nach etwas zu greifen und dieses zum Mund zu führen. Unterschiedlich ist es, weil es jede(r) auf sehr persönliche Art erlernt hat. Die Art, wie Sie es seither machen, ist für Sie die vertrauteste Möglichkeit. Solche Gewohnheiten werden üblicherweise als gut und wirksam empfunden und somit beibehalten.

Soeben haben Sie an sich selbst erfahren, wie sich Gewohnheiten anfühlen und wie es sich anfühlt, diese zu verlassen.
Stellen Sie sich nun bitte vor, das Trinken aus der Tasse fände beim Frühstück statt. Woran denken Sie? Vermutlich an den Inhalt der Tasse, an den Geschmack und an das Gefühl, das der erste Schluck Kaffe des Tages vermittelt. Sie sehen also, dass Sie mit dem „Objekt der Begierde“ beschäftigt sind. Der Art und Weise, wie Sie nach dieser Tasse greifen und sie zum Mund führen, messen Sie vermutlich keine Bedeutung bei.

Im täglichen Leben achten Sie meist nicht darauf, wie Sie nach einem Gegenstand greifen oder den Kopf drehen, um etwas anzuschauen. Auch sind die Umstände unter denen diese Fähigkeiten erworben wurden gleichgültig oder unbekannt. Derlei Bewegungen sind so selbstverständlich geworden, dass sie nicht mehr wahrgenommen werden.

Das Selbstverständliche im Leben kann so lange unbeachtet bleiben und wird es auch, bis irgend etwas, das Sie tun möchten, nicht mehr störungsfrei gelingt. Sie bekommen im schlimmsten Fall Schmerzen und Sie fühlen sich eingeschränkt. Sie werden möglicherweise langsam, ungeschickt oder weniger leistungsfähig und hören schließlich gänzlich auf, manche Dinge zu tun. Nicht das Alter, das in vielen Fällen als Ausrede dafür herhalten muß, trägt die Schuld, sondern eintönige Bewegungen in ausgetretenen Pfaden. Vermutlich haben Sie in so einem Fall auch aufgegeben nach zusätzlichen Möglichkeiten zu suchen.

Bewusstheit ist Voraussetzung:
Nur das, was Sie bewusst wahrnehmen, können Sie verändern. Bewusstheit bedeutet, dass Sie während einer Tätigkeit beobachten was sie tun und vor allem, wie Sie es tun. Es bedeutet, dass Sie sich selbst während dieser Tätigkeit so wahrnehmen, dass Sie später darüber reflektieren können.

Der Neurophysiologe Israel Rosenfield beschreibt in seinem Buch „Das Fremde, das Vertraute und das Vergessene – Anatomie des Bewusstseins“, wie sich das Nervensystem selbst stimuliert, um Bewusstheit zu erschaffen. Er bezeichnet diese Aktivität als die Hauptbeschäftigung des Gehirns. Er zeigt, dass Bewusstheit ohne einen Bezug zum eigenen Körper nicht möglich und auch nicht verständlich ist.

Eine weitere interessante und neue Sichtweise dazu stammt von den Neurobiologen Humberto Maturana und Francisco Varela. In ihrem Buch „Der Baum der Erkenntnis“ stellen sie erstmals in „verständlicher Form ein alternatives Systembild von Prozessen und Lebensvorgängen dar, durch die Menschen zu Wissen und Erkenntnis gelangen“ (Zitat).

Bewusstheit durch Bewegung:
Bewegung ist die Voraussetzung, sich selbst und die Welt zu erkunden. Sie ist die Grundlage der persönlichen Entwicklung, des menschlichen Lernens und eng mit dem Lebensgefühl verbunden. Neue Bewegungsmöglichkeiten können Gewohnheiten verändern und ermöglichen neue Sichtweisen für das eigene Tun, Wahrnehmen, Denken und Fühlen.

Bewegung ist physikalischen Gesetzen – wie der Schwerkraft – und anatomisch strukturellen Gegebenheiten, wie dem Bau der Gelenke, unterworfen. Eine ganze Reihe von anderen Kriterien entscheiden jedoch ebenso über Ihre Qualität. Jede Bewegung ist mit persönlichen Wahrnehmungen, Vorstellungen und Empfindungen verbunden. Bewegungen werden außerdem von jedem von uns unter bestimmten Bedingungen erlernt, in Japan vermutlich anders als in Österreich.

Schwerkraft und anatomische Vorgaben lassen sich nicht ohne weiteres verändern, sehr wohl aber der Bereich der persönlichen Bewegungsgestaltung. Moshe Feldenkrais bezeichnete diese Fähigkeit als Selbstleitung. Und genau dieser Bereich ist es auch, in dem die Feldenkrais-Methode ansetzt und wirksam wird. M. Feldenkrais verstand es, abstrakte wissenschaftliche Erkenntnisse in seinen Bewegungslektionen praktisch erfahrbar und anwendbar zu machen.

Organisches Lernen:
Bitte versuchen Sie, sich in eine Zeit zu versetzen, in der Erklärungen von anderen keinen Sinn ergaben. In dieser Zeit befanden sich alle Menschen, obwohl Sie sich gar nicht mehr oder nur lückenhaft erinnern;  gemeint ist die frühe Kindheit. Ein gesundes Kind bringt in seinem Nervensystem alle Voraussetzungen mit, die nötig sind, etwas zu erlernen, z. B. sich vom Rücken auf den Bauch zu drehen, dann sich auf Hände und Knie zu stützen und dann erst zu krabbeln und so weiter. Was sich das Kind jedoch erwerben muß, ist, alle diese Voraussetzungen zu nützen und sinnvoll einzusetzen. So findet ein Kind bald heraus, daß es mit einer bestimmten Bewegung etwas erreicht, z. B. kann es nach einem Spielzeug greifen und das wird es motivieren, weiterzumachen und nahezu unermüdlich zu üben. Es läßt sich davon leiten, ob sich ein Versuch etwas weniger ungeschickt anfühlt als der vorangegangene. Das Kind probiert aus, es lernt zu unterscheiden, was zum Erfolg führt und was nicht. Das Erfolgreiche findet Anklang, es wird immer öfter benützt und immer weiter verfeinert. Das Kind probiert denselben Bewegungsablauf in tausend Variationen mit ebenso vielen Irrtümern und in der Regel mit großem Vergnügen. So lernt das Kind schließlich vom Boden hochzukommen, auf zwei Füßen zu stehen, laufen, hüpfen, Radfahren und vieles mehr.

M. Feldenkrais bezeichnet diesen sensomotorischen Entwicklungsprozess als organisches Lernen. Der Organismus verlässt sich dabei auf sich selbst. Es ist niemand da, der dem Kind erklären könnte, was es zu üben hätte und wie. Und falls doch, so würde es wenig Sinn haben. Die Anlagen zu diesen Entwicklungsschritten hat jeder Mensch. Die Erfahrungen, die Sie dabei gewinnen, wirken sich wiederum auf alle weiteren Schritte aus. Dieser Prozess ist aufs Engste mit Bewegung verknüpft und ist die Voraussetzung für das Heranreifen jedes Menschen. Er steht Ihnen Ihr ganzes Leben lang zur Verfügung, wird aber in den seltensten Fällen ausgeschöpft.

Genau hier setzt die Feldenkrais–Methode an. Die Feldenkrais-Lehrerinnen vermitteln keine intellektuellen Inhalte, die im Sinne von Richtig oder Falsch zu beurteilen wären. Vielmehr finden Sie im Rahmen einer Feldenkrais-Lektion eine Situation, die es Ihnen erlaubt, diesen Prozess des organischen Lernens wieder anzuregen. Sie entwickeln ein feines Gespür für sich selbst, das Sie brauchen, um sich wieder auf Ihre eigenen Bewegungen verlassen zu können. Durch das Befolgen der Anleitungen und Vorschläge können Sie erleben, dass der Eindruck, den Sie von sich haben, veränderbar ist. Manchmal ergeben sich dabei auch fremd anmutende, überraschende Reaktionen Ihres Organismus.

Unterrichtsformen der Methode:

1) Gruppenstunden / Bewusstheit durch Bewegung
Sie erhalten mündliche Anleitungen zu Bewegungsabläufen in unterschiedlichen Positionen, wie Liegen, Sitzen oder Stehen. Gleichzeitig mit den Bewegungsaufgaben werden Sie auch angeleitet, Ihre damit verbundenen Gedanken, Wahrnehmungen und Empfindungen zu beobachten.

Einige dieser Stunden sind an die menschliche, motorische Entwicklung angelehnt, die bedauerlicherweise meist nach der Kindheit als beendet angesehen wird, z.B. sich vom Rücken auf die Seite zu rollen und davon weiter zum Sitzen, vom Sitzen auf alle Viere zu gelangen etc. Andere haben grundlegende menschliche Funktionen zum Thema, wie etwa das Atmen, den Gebrauch der Augen und der Stimme, den Kopf zu drehen um nach Etwas zu schauen, einen Arm zu heben um nach Etwas zu greifen. Moshe Feldenkrais hat Tausende von Gruppenlektionen hinterlassen.

Während der Stunden bewegen Sie sich meist langsam, es gibt Wiederholungen und Pausen. Das gibt Ihnen Zeit, die Auswirkungen wahrzunehmen und Ihre Erkenntnisse zu verarbeiten. Sie lernen durch persönliche Erfahrung mit sich, für sich und über sich.

Feldenkrais-Stunden regen dazu an, mit verschiedenen Varianten innerhalb desselben Bewegungsablaufes zu experimentieren. Sie probieren neue Bewegungen aus, vergleichen sie mit vertrauten Gewohnheiten und Vorlieben und beginnen, Unterschiede zu entdecken. So spüren Sie einschränkende Bewegungssituationen auf. Sie erlernen, unbeachtete und unbenützte Bereiche Ihres Organismus zu finden und sie wieder in Ihre Bewegungsabläufe mit einzubeziehen, überanstrengte Bereiche können sich erholen.
Im Mittelpunkt des Interesses steht keine vorgegebene Bewegungsweise, sondern die Beobachtung des Lernvorganges selbst, mit dem sie zu Ihrer persönlichen Bewegungserleichterung finden.

2) Einzelstunden / Funktionale Integration
Was für Gruppenstunden gesagt wurde, gilt auch für Einzellektionen. Die Art der Vermittlung ist jedoch eine andere. Einzelstunden sind die individuellste Unterrichtsform der Methode, gewissermaßen maßgeschneidert für persönliche Bedürfnisse und Wünsche. Die Klienten werden berührt und bewegt. Diese Berührungen und Bewegungen dienen (ebenso wie in einer Gruppenlektion) dem Bewusstmachen von gewohnten Bewegungsmustern. Als Möglichkeit zur Veränderung müssen auch neue Bewegungen vorgeschlagen werden. In jedem Augenblick wird beachtet, ob und wie die Klienten diese annehmen können. Berührungen  und Bewegungen sind niemals eindringlich, sondern sachte und aufmerksam. Zwischen dem Körper der KlientInnen und den Händen der Feldenkrais-LehrerInnen entsteht ein Dialog, der – wie ein Tanz – meist ohne Worte auskommt.

Vieles an Verbesserungsmöglichkeit finden Sie in einer Gruppenstunde für sich alleine, manches braucht individuelle Hilfe und Unterstützung. Es hat sich daher in der Praxis der Besuch eines Kurses und zusätzliche Einzelstunde(n) bei Bedarf bewährt. Und obwohl eine Einzelstunde ein höchst angenehmes Erlebnis ist, so kann Ihnen selbst die erfahrensten Feldenkrais-LehrerInnen der Welt nicht ersparen, sich eigenständig zu bewegen und Ihre Erkenntnisse in Ihr Leben zu integrieren.

Bewegung wahrnehmen, erinnern und wieder erkennen:
Erinnern sie sich an das Greifen nach der Tasse? Probieren Sie es ruhig wieder einige Male!

Um es zu verbessern, erforschen Sie in einer Feldenkrais-Lektion beispielsweise die Zusammenhänge zwischen Arm und Rumpf. Dazu müssen Ihnen vor allem die Bewegungsmöglichkeiten des Schulterblattes als Verbindungsglied von Extremität und Brustkorb klar werden, die Verbesserung eines Einzelteiles reicht nicht aus. So benötigen Sie in weiterer Folge das Empfinden der Zusammenhänge von Arm, Schulterblatt, Brustkorb, Wirbelsäule, Becken und Beinen. Es genügt dazu nicht, Ihnen über Bewegung zu erzählen oder sie Ihnen zu zeigen.

Bleiben wir bei unserem Beispiel: Um die neu gewonnene Bewusstheit auch jenseits der Feldenkrais-Lektion verwenden zu können, müssen Sie in der Lage sein, die unterschiedlichsten Bewegungsmöglichkeiten und Zusammenhänge bewusst zu empfinden. Sie sollen diese auch später und auch in anderen Positionen wiedererkennen und verwenden können. Schließlich greifen Sie in unterschiedlichen Lebenssituationen nach einer Tasse und die Tasse steht nicht immer am selben Platz!

Die Integration – Von der Bewegungen zur Handlung:
Wenn eine Bewegung Teil einer Handlung wird, so hat sie eine Absicht und einen Sinn. Erst dann gewinnt sie persönliche Bedeutung und einen Bezug zu Ihrem Leben. Wenn Sie nach der Tasse greifen, haben Sie die Absicht, diese zu erreichen, zum Mund zu führen und daraus zu trinken. Der Sinn, den die Bewegung für Sie hat, liegt im Bereich des inneren Erlebens und der eigenen inneren Interpretation. Vielleicht ist es der erste Schluck Kaffee am Morgen, mit dem Sie sich auf diesen Tag vorbereiten; ein anderes Mal eine wohlverdiente Pause.

Das bewusste Wahrnehmen findet vor allem während und nach einer Feldenkrais-Lektion statt. Es dient in erster Linie dem Lernen. Im täglichen Leben jedoch müssen Sie nicht über jeden einzelnen Bewegungsschritt nachdenken. Das nähme unendlich viel Zeit und Mühe in Anspruch! Sie können zu Recht erwarten, dass Bewegungsabläufe schnell und spontan ablaufen, damit Sie jeder Situation entsprechend begegnen können. Und das passiert tatsächlich nach einer Weile. Je öfter Sie Feldenkrais praktizieren, desto leichter fällt es Ihnen, auch winzige Unterschiede wahrzunehmen. Es wird immer selbstverständlicher, dass die Erinnerung an die Empfindungen während oder nach einer Stunde genügt, um die gewünschte Bewegung auch im täglichen Leben zu erleichtern. Das Nervensystem integriert diese neuen Informationen von sich aus in alle Ihre Bewegungen. Gewünscht ist eine Reorganisation des Nervensystems, die zu einer verbesserten Bewegungsorganisation führt. Gute Organisation bedeutet, dass das, was Sie tun möchten, so gut vorbereitet ist, dass es ohne viel darüber nachzudenken, mit dem Minimum an Aufwand gelingt.

Anwendungsbereiche:
Gesundheitsvorsorge, Verletzungsvorbeugung
Künstlerische Bereiche wie Tanz, Theater, Musik, Gesang, Schauspiel,  bildende Kunst
Sport
Rehabilitation bei / nach Erkrankungen und Verletzungen
Schmerzbewältigung
Bewegungseinschränkungen
Behindertenbetreuung
In der Arbeit mit Säuglingen und Kindern bei Behinderungen
Im pädagogischen Bereich und bei Lernproblemen, da diese häufig ihre Ursachen in der Bewegungsentwicklung des Kleinkindes haben

Die Feldenkrais-Methode richtet sich an alle Menschen. Um davon zu profitieren, brauchen Sie keine bestimmten Voraussetzungen an Bildung oder Wissen zu erfüllen. Sie können sich in jedem Alter und in jeder körperlicher Konstitution damit befassen.
Was Ihnen helfen wird, ist Neugierde und Entdeckungsfreude, mit sich selbst in Kontakt zu kommen. Sie dürfen mit Überraschungen und plötzlichen Erkenntnissen rechnen, mit tiefen Empfindungen, aber auch mit Augenblicken der Verwirrung. Die angenehmste und auch häufigste Reaktion auf eine Feldenkrais-Stunde ist eine ungeahnte Leichtigkeit, die Sie später im Alltag wiederfinden.

Absichten und Wirkungen:
Ihre Bewegungen werden insgesamt leichter, einfacher und harmonischer. Ihr Bewegungsempfinden wird belebt.
Wahrzunehmen, wie einzelne Körperteile funktional zusammenspielen, bedeutet daß sich übermäßige Anspannungen lösen und Schmerzen zum Verschwinden gebracht werden können.
Sie lernen unnütze Anstrengungen zu erkennen und zu vermeiden und Ihre Kräfte der jeweiligen Situation angepaßt einzusetzen. So beugen Sie Verschleißerscheinungen vor.
Ihre Atmung verbessert sich.
Ihr Bewegungsverständnis erweitert sich. Das führt zu einer klareren Einschätzung der eigenen Fähigkeiten.
Durch den aufmerksamen Umgang mit sich selbst werden Sie etwas über Ihre Grenzen herausfinden, was gleichzeitig auch die Möglichkeit eröffnet, diese zu erweitern.
Die meisten KlientInnen schildern, daß sie sich nach solchen Stunden beweglicher und geschickter fühlen, freier von Schmerz und Streß, entspannter und vital.
Manche Menschen erzählen auch, daß sie besser schlafen, ausgeruhter erwachen und sich im täglichen Leben leistungsfähiger fühlen.

Durch Veränderung des Selbstbildes zur Schmerzfreiheit:
B. besuchte einen meiner Kurse. Zu Beginn erzählte sie, dass sie einen komplizierten Bruch des rechten Schlüsselbeines gehabt hätte, der etwa zwei Jahre zurück lag. Sie könne zwar alles tun, was sie wolle, doch fühle sich die Schulter immer noch nicht ganz richtig an.

In der Lektion, die ich Ihnen schildere, waren die TeilnehmerInnen aufgefordert auf der linken Seite zu liegen, sich die rechte Hand auf die Stirn zu legen und mit dieser Hand den Kopf  zu rollen. (Probieren Sie es ruhig selbst aus…) B. bemerkte, dass dabei Ihre Schulter schmerzte und fragte mich, ob sie die Bewegung dann überhaupt machen sollte. Auf meine Frage, was es denn genau sei, was den Schmerz verursache, antwortete sie, das es schmerze, wenn „der Ellbogen so weit oben“ sei. Sie bezog sich dabei auf den Abstand zwischen Oberarm und Rumpf und darauf, dass ihr Ellbogen zur Decke zeigte.
Ich bat sie und auch alle anderen, den Ellbogen zu senken, den Oberarm so nahe wie möglich an den Rumpf zu bringen und den Kopf auf diese Weise zu rollen. Nachdem dieses schmerzfrei möglich war, forderte ich alle auf, mit dem Abstand von Arm und Ellbogen zum Rumpf zu experimentieren und drei verschiedene Möglichkeiten, den Kopf mit der Hand zu rollen, zu finden. Sie wurden auch angewiesen, diese drei Möglichkeiten zu vergleichen und zu spüren, wie unterschiedlich sich die veränderte Position des Armes auf die Schulter, Nacken und Brustkorb und auf das Rollen selbst auswirkte. (Probieren Sie es ruhig aus.)
Nach einer Weile bat ich B., ihren Arm wieder in die ursprüngliche Lage zu bringen und den Kopf zu rollen. Zu ihrer großen Überraschung war das schmerzfrei und auch leichter und angenehmer zu tun.

In B.s Vorstellung hatte der Ellbogen einen bestimmten Abstand zum Rumpf. Die Idee, das sie diesen  Abstand variieren könnte, hatte sie noch nicht. Sie war dadurch für einen Moment unfähig die Stunde fortzusetzen. Sie wusste jedoch bereits, dass eine Bewegung mit Schmerzen die Schulter unter gar keinen Umständen bessern würde. Das undifferenzierte Rollen vermittelte ihr die Erfahrung, dass das, was sie tun wollte (mit der Hand den Kopf zu rollen) zwar ungewohnt, jedoch schmerzfrei war. Das wiederum motivierte sie nach weiteren Möglichkeiten zu suchen. Das beobachtende Vergleichen der Variationen bietet die Freiheit, nicht mehr an einer einzigen Möglichkeit festhalten zu müssen.

Dr. Moshe Feldenkrais (geb. 1904 in Rußland, gest. 1984 in Tel Aviv)
war promovierter Physiker. M. Feldenkrais befasste sich mit asiatischen Kampfsportarten, u.a. Jiu Jitsu und Judo, in dem er es zum Rang eines Judomeisters brachte.  Er hatte als erster Europäer  einen schwarzen Gürtel inne und gründete den ersten Juodoclub in Europa. Er arbeitete im Labor des Ehepaares Joliot-Curie in Paris; er war in England während des zweiten Weltkrieges  für die britische Admiralität tätig; er leitete später in Israel die Elektronikabteilung des israelischen Verteidigungsministerium.